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"Heute bin ich allein" - Ein wenig Ostalgie darf sein

Eine kleine musikalische Rückbesinnung
von Thomas Trautzsch - 22.01.2019

Mobirise
Reinhard Lakomy - Komponist des Liedes "Heute bin ich allein" (Foto: - Reinhard Lakomy [Copyrighted free use], via Wikimedia Commons 2009)

Es sind seltsamerweise nicht die stetig wechselnden Top-Chart-Pop-Songs, an die man sich im fortschreitenden Alter erinnert, sondern oft die Lieder, die man als Kind oder Jugendlicher gehört, verstanden und vielleicht erst viel später mögen gelernt hat. 

Mobirise

Manchmal erinnere ich mich an die allmorgendlichen Sendungen des DDR-Rundfunks, mit denen die Menschen damals in aller Herrgottsfrühe ihren Tag begannen. Unsere Eltern hatten in der Küche einen Stern Radiorekorder in der Durchreiche stehen (der übrigens heute noch funktioniert), aus dem wir unter der Woche am Frühstückstisch sitzend die täglichen Muntermachsendungen hörten. 

Dazu gehörten verschiedene Kinderhörspielreihen, die Geschichten und Episoden vom Alltag erzählten und Musik. Andächtig lauschte man das Frühstücksbrot kauend dem Programm und manchmal nahm man auch etwas daraus für den Tag mit. Es war an jenem Frühstückstisch in einem solchen Szenarium, als ich mit vielleicht 8 oder 9 Jahren zum ersten Mal bewusst das Lied "Heute bin ich allein" von Reinhard Lakomy hörte. Dieses Lied, das auf eine herrliche Weise die Freuden eines Mannes zum Ausdruck bringt, der einen Tag "sturmfreie Bude" hat, fand aus irgendeinem Grund auf eine seltsame Weise einen tiefen Eingang in mein Bewusstsein. Es waren wohl die einfachen, prägnanten und für einen Jungen in strengem Elternhaus vollkommen nachvollziehbaren Worte von der Freude über das Ausleben der wenigen persönlichen Freiheiten, die man damals hatte, die langanhaltende Spuren hinterließen. Es war keineswegs der Fall, dass mir die Musik damals besonders zugesagt hätte, jedoch die in dem Lied erzählte kleine Geschichte blieb wohl für immer in meinem Geiste haften. 

Das Lied, welches 1972 von Reinhard Lakomy komponiert wurde und dann als Amiga-Single erschien, sprach wohl auf diese Weise viele Menschen in der DDR an, denn es war relativ erfolgreich. Er und sein Ensemble brachten es damit bis in die damals renommierteste Unterhaltungsshow "Ein Kessel Buntes". 

In der Zeit meiner Kindheit gab es in der DDR noch nicht die ausgeprägt durchkommerzialisierte Popkultur, wie wir sie heute erleben können. Leider war es so, dass die damals in der DDR vorherrschende 60:40 Regel, also die gesetzliche Bestimmung, die sagte, dass in öffentlichen Veranstaltungen und Medien 60% der gespielten Musik Produktionen aus dem Osten sein mussten, und die ebenfalls ein Ausdruck des repressiven Charakters des DDR-Systems war, dazu führte, dass viele junge Menschen der Ostmusik mit einer gewissen Misachtung und Abneigung begegneten, obwohl retrospektiv, zumindest nach meinem heutigen subjektiven Empfinden, die Qualität der Ostproduktionen den westlichen in nichts nachstand, ja teilweise sogar höher war. Unter diesen Umständen und mit dem zunehmenden Zugang der DDR-Bürger zu westlichen Medien geriet die Ostmusik langsam aber sicher bei den jüngeren Menschen aus dem Fokus und in den Jahren nach der Wende, in denen auch die DDR-Musikszene vollständig der gängigen Kommerzialisierung unterworfen wurde, blieb davon bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr viel übrig. Die Ostmusik wurde recht schnell zu einem Teil einer allgemeinen DDR-(N)Ostalgie, der die heute lebenden älteren DDR-Generationen zunehmend wieder anhängen, da retrospektiv und mit zunehmender Reife festgestellt werden kann, dass die Qualität und Tiefe vieler musikalischer Ostproduktionen heute im Allgemeinen nur noch selten zu finden sind. 

Nach der Wende warf man Reinhard Lakomy auch die Verbreitung von DDR-Nostalgie vor, besonders, als er 1991 sein Album "Die 6-Uhr-13-Bahn" veröffentlichte. Trotz Lakomy's Experimentierfreudigkeit mit elektronischer Musik und seinem extensiven Ausflug in das Genre der Kinderlieder blieb er musikalisch, wie inhaltlich, seinem unverwechselbaren Stil treu. 

In der heutigen Zeit, in der fast jeder, der es will, Musik machen kann, weil man mitunter nichts weiter als einen Computer, ein Smartphone und ein Mindestmaß an Harmonieverständnis (manchmal sogar nicht einmal mehr das) dazu braucht, werden Qualität und Inhalt zunehmend zum Durchsetzungsmerkmal, zumindest bei einem literaten Teil der Hörerschaft. Es sind genau diese Zutaten die es braucht, um ein Lied unsterblich zu machen. Ich bin mir sicher, dass dieses Lied "Heute bin ich allein", auch wenn es vielleicht viele Generationen nach uns gehört wird, ganz unabhängig von der Zeit, das gleiche Schmunzeln und die gleiche fröhlich-melancholische Empfindung in vielen Menschen auslösen wird, wie damals oder heute. 

2013 starb Reinhard Lakomy seinen eigenen Worten zufolge, "nach einem reichen Leben" an Krebs. Heute erlauben es mir Technik und die in der Zwischenzeit angeeignete Fähigkeit mehrere Musikinstrumente mehr oder weniger gut zu spielen, selbst zu Hause Musik aufzunehmen und zu produzieren. Diese Möglichkeiten habe ich genutzt, um an dieser Stelle mit einem bescheidenen kleinen Cover von "Heute bin ich allein" Reinhard Lakomy meinen ganz persönlichen Tribut zu zollen, für viele Momente dieser fröhlich-melancholischen Empfindsamkeit beim Hören seiner Lieder, die ganz sicher bezeichnend war für die Gemütslage vieler Menschen in dieser ehemaligen Republik.  RIP Laki. 

Thomas Trautzsch

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